Aus eigenen Erfahrungen

Luther war ein Mensch und darum hatte er zwangsläufig Fehler. Die großartige Leistung, die Luther über seine Bibelübersetzung für die deutsche Sprache erbracht hat, wobei seine Übersetzung sprachbildend auf die Umgangssprache Einfluss genommen hat, darf nicht geschmälert werden. Meine eigenen Erfahrungen mit der Lutherbibel möchte ich hier anführen, um einige Fehler richtig zu stellen. Es soll Personen helfen, denen Kenntnisse in den alten Sprachen fehlen, denn ich werde die Hilflosigkeit nicht vergessen, als ich mich genau in dieser Situation befand.

Als zehnjähriges Kind habe ich versucht, Gott in der Bibel zu finden. Benutzt habe ich eine revidierte Lutherübersetzung, zunächst nur ein Lukasevangelium, aber nach kurzer Zeit eine komplette Bibel.

Meine schlimmste Erfahrung war der „jüngste Tag“, denn damit wurde mir das Reich Gottes aus der Gegenwart gestohlen und in die fernste Zukunft katapultiert, denn der Superlativ „jüngst“ - für mich damals eine unverständliche Steigerung zum Simplex „jung“ - ist zeitlich nicht mehr fassbar. Der „jüngste Tag“ ist eine Übersetzung für „letzter Tag“. Wie ich es jetzt immer deutlicher erkenne, gehört das Reich Gottes in die Gegenwart, woraus ich es mir von niemand mehr nehmen lasse. Diese scheußliche Übersetzung hat leider jede Revision überlebt.

Einen Satz, der mich jahrelang deprimiert hat, habe ich überprüft. Luther übersetzt Hiob 36,15: Aber den Elenden wird er durch sein Elend erretten und ihm das Ohr öffnen durch Trübsal. - Das ist der grausame Gott, der seinen eigenen Sohn an das Kreuz bringt! Aber mit demselben sprachlichen Recht übersetze ich neu: Aber den Elenden wird er in seinem Elend erretten und ihm das Ohr öffnen in Trübsal. - Jetzt ist es der barmherzige Gott, der das Schreien des Verzweifelten hört!

Eine kaum weniger grausame Übersetzung habe ich auch im NT gelesen. In 1. Petrus 3,17 steht: Denn es ist besser, wenn es Gottes Wille ist, dass ihr um guter Taten willen leidet als um böser Taten willen. 17 κρεῖττον γὰρ ἀγαθοποιοῦντας, εἰ θέλοι τὸ θέλημα τοῦ θεοῦ, πάσχειν ἢ κακοποιοῦντας. Mit demselben Recht übersetze ich: Denn es ist besser, wenn es Gottes Wille ist, dass ihr trotz guter Taten leidet als um böser Taten willen. Wie man nämlich aus dem griechischen Text ersehen kann, werden dort Partizipien gebraucht und die wörtliche Übersetzung ist: „gut tuend leiden“. Der Rest ist eine Ergänzung des Übersetzers, wobei sich das persönliche religiöse Verständnis zeigt. Für mich persönlich ist der Tun-Ergehens-Zusammenhang nie aufgehoben worden: Wer Gutes tut, wird belohnt; wer Schlechtes tut, wird bestraft. In manchen neuen Übersetzungen findet sich die unbarmherzige Lutherdeutung allerdings nicht.

Mit der Übersetzung von Römer 16,20 bin ich ebenfalls nicht einverstanden. In der Luther Revision ist zu lesen: „Der Gott des Friedens aber wird den Satan unter eure Füße treten in Kürze.“ Nicht nur, dass Luther die Parusie Jesu in weiteste Ferne rückt, auch der Sieg über den Teufel ist den Kindern Gottes damit abgesprochen. Viel eher sagt mir die Übersetzung der Elberfelder Bibel zu, die sprachlich nicht weniger korrekt ist: „Der Gott des Friedens aber wird in kurzem den Satan unter euren Füßen zertreten.“ Jetzt ist der Sieg über den Teufel in der Gegenwart. Ein wirklich überzeugter Christ wird es nicht akzeptieren, den Sieg über diesen unbarmherzigen Feind erst für die Zukunft anzunehmen. Welche Kraft kann ein Gebet haben, wenn der Feind, der dem Wirken Gottes entgegensteht, erst in der Zukunft geschlagen ist? So einen Gott wie Luther ihn hatte, will ich ganz einfach nicht. Vor einem solchen Gott hilft nur weglaufen. Das kann nur ausgehalten werden, wenn von Gott keine Hilfe erwartet und er im Grunde nicht gebraucht wird; denn dann kann dieser grausam und hart sein, weil er im Leben nicht zu spüren ist. Liebe zu Gott ist das nicht!

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